Die Sache in die Hand nehmen
Andreas Trunschke leitet die beiden digitalen Bürgerzeitungen ‘Fläming 365’ und ‘Zauche 365’, die gemeinsam auf fast 1000 Leser pro Tag kommen. Im Interview mit ‘Wir zu Lande’ spricht er über seine Motivation, Herausforderungen und Zukunftsvisionen.
Andreas, du hast bereits vor zehn Jahren einen ersten lokalen Blog in deinem Heimatort gegründet. Wie ist es dazu gekommen?
Eine politische Partei in meinem Wohnort Borkwalde hatte mich gebeten, eine Webseite für sie zu erstellen. Doch noch eine Webseite mehr in dem kleinen Ort fand ich für mich als Nutzer unübersichtlich. Außerdem war ich überzeugt, dass eine Seite für alle Vereine und Organisationen, für die alle lokalen Projekte und Veranstaltungen den Zusammenhalt in einer Gemeinde fördern kann.
Wurden diese Informationen nicht über die Lokalzeitung abgedeckt?
Leider nicht umfassend. Ich lese gern die ‚Märkische Allgemeine Zeitung’, habe auch einige Zeit für sie geschrieben, empfinde aber die Berichte aus unserer Region als unzureichend. Mir fehlten und fehlen jedenfalls viele Informationen. Und ich habe mich gefragt: Wenn die lokalen Medien nicht mehr ausreichend berichten können, wer kann es dann tun? Als einzige Option sehe ich, dass wir Bürger es selbst in die Hand nehmen.
Und das hast Du dann gemacht….
Ja. Zuerst habe ich ‚Borkwalde bloggt’ ins Leben gerufen. Das war ein sehr sehr erfolgreicher Blog mit über 500 Seitenaufrufen täglich. Vom 25. Oktober 2009 bis zum 25. Mai 2018 zählte das System 3,3 Mio. Besuche. Das ist bei 1.500 Einwohnern eine ganze Menge, auch wenn ich immer den Verdacht hatte, dass das System etwas zu freundlich zählte. Dann hatte ich die Idee, das Ganze auf unsere Region auszuweiten und habe Blogs für die verschiedenen Ortschaften in der Umgebung installiert. Die Idee war, mit den lokalen Vereinen zusammenzuarbeiten.
Hat das geklappt?
Teilweise schon, aber noch nicht so gut, wie ich hoffte – mit Ausnahme von „Niemegk bloggt“. Ich habe die Vereine angeschrieben und angesprochen, aber wenig Reaktionen bekommen. Als private Seite muss man natürlich auch erst einmal Vertrauen aufbauen. Dass man keinen Unfug schreibt, dass man vertrauensvoll mit den Daten umgeht. Das braucht Zeit!
Die lokalen Blogs hast du dann auch nach einer Weile eingestellt …
Ja, da ist mir die DSVGO in die Quere gekommen. Wenn man eine Seite mit aller Konsequenz DSGVO-konform machen will, ist das sehr aufwendig und kostet zusätzliches Geld. Das bleibt ein stetiger Prozess. Außerdem vergrößert jede Seite die Gefahr, doch einmal einen Fehler zu machen. Aber ich war nach wie vor motiviert und habe dann die zwei digitalen Bürgerzeitungen gegründet. Außerdem hatte ich viele Erfahrungen gesammelt. ‚Fläming 365’ gibt es seit Mai 2018.
Mit Erfolg?
Ich hoffe auf mehr. Aber bis jetzt über 800 kleine und große Artikel, 450.000 Aufrufe und fast 150.000 Besucher sind ja auch nicht nichts. Die zugehörige Facebook-Seite hat 437 Abonnenten. Die für mich wichtigste Zahl aber ist, dass sich bereits 38 Autoren angemeldet haben. Wie groß das Potential ist, deutet ‚Zauche 365’ an. Obwohl der Name der Region noch nicht vielen geläufig ist und die Region auch deutlich kleiner ist als der Fläming sind die Zahlen dort noch höher.
Beide Bürgerzeitungen sind recht umfassend und du arbeitest ehrenamtlich daran. Was motiviert dich?
Ich mag das journalistische Arbeiten. Ich schreibe und fotografiere gerne und habe mit den Bürgerzeitungen eine Plattform, um gelesen und gesehen zu werden. Außerdem mag ich es, im Kontakt mit Menschen zu sein. Als Bürgerjournalist kommt man viel rum und lernt Menschen und Orte in seiner Region kennen, die man vielleicht sonst niemals getroffen hätte. Als Homo Politicus ist meine Hauptmotivation aber, anderen Menschen zu ermöglichen, selbst über ihre Angelegenheiten etwas veröffentlichen zu können. Über ihre Arbeit in Vereinen, bei der Feuerwehr, über den Sport, aber auch über kleine Begebenheiten am Rande.
Viele machen das in den Facebook-Gruppen …
Ja, und das gibt mir die Hoffnung, dass die Menschen das wollen und können. Aber nicht alle Menschen sind in dem Sozialen Netz. Facebook speichert die Nutzerdaten und niemand weiß, was damit geschieht und wer mitliest. Immer dringender scheint mir zu sein, die Denkblasen zu verlassen, die Facebook fördert. Und bei allen Vorteilen, die Facebook bietet, gibt es auch Defizite, wie die unzureichenden Suchfunktionen.
Also ‚Fläming 365’ als Alternative zu Facebook?
Nein, das wäre nicht nur größenwahnsinnig, sondern würde auch meinem Ziel der Partizipation widersprechen. Ich sehe Bürgerzeitungen als Ergänzung zu den gewinnorientierten Regionalzeitungen und zu den Sozialen Netzen wie Facebook. Ein guter Weg wäre für mich, die Bürgerzeitung als Basis zu nutzen, deren Artikel dann jeder gern auf Facebook verbreiten darf.
Wieviel Zeit wendest du für die beiden Seiten auf?
Viel, sehr viel. Das geht nur mit viel Leidenschaft, mit Engagement und mit der Überzeugung, dass es wichtig ist. Zum Glück halten sich wenigstens die materiellen Aufwendungen in Grenzen. Trotzdem muss früher oder später – wenn man Bürgerjournalismus will – generell ein Weg gefunden werden, den zeitlichen Aufwand finanziell zu honorieren.
Was ist deine Vision für die kommenden fünf Jahre für die Bürgerzeitung?
Ich wünsche mit noch mehr Menschen zu finden, die wie ich Bürgerjournalismus als wichtig für unsere Demokratie und für unsere Region erachten und an der Sache soviel Spaß haben wie ich. Mein Traum ist, dass Menschen, Vereine, Einrichtungen und Unternehmen aus unserer Region die beiden Bürgerzeitungen ganz alltäglich für sich nutzen – als Leser und als Autoren.